25. Mai
Es war wieder das erste Gästehaus, welches wir uns angesehen und in das wir direkt eingecheckt haben. Zwar ähnelt das kleine Zimmer eher einem Kellerraum, mit der niedrigen Decke und den kahlen, grauverputzten Wänden, aber wir genießen erneut einen wunderbaren Ausblick. Diesmal sind die Berge etwas weiter weg und bilden den Horizont. Dafür führt direkt vor unserer Terrasse ein gar nicht so kleiner Fluss vorbei. Dunkelbraun strömt das doch ziemlich flache Wasser eilig vorbei. Dahinter erstreckt sich eine kleine, wild bewachsene Ebene, die in der Regenzeit bei steigendem Wasserpegel sicher ordentlich an Größe verliert und vom Fluss überschwemmt wird.
Jeden Morgen erklingen die Kuhglocken, wenn der Hirte seine Herde Tiere hier vorbeitreibt. Gemächlich wandern sie den Flusslauf entlang, grasen die fruchtbaren Stellen ab oder legen sich einfach nur zum Abkühlen ins Wasser. Gerade waten sie allesamt durchs Wasser auf die andere Uferseite zu den hochgewachsenen Gräsern. Ein schönes Bild.
Hier in der kleinen, beschaulichen Stadt Mae Sariang, mal auch Mae Sa Riang geschrieben, haben wir uns ein wenig Ruhe gegönnt. Zwangsweise. Denn der einzige Fahrrad- und Mopedverleiher ist unterwegs und sein Laden geschlossen. Aber es passte ganz gut. So waren wir wieder zu Fuß unterwegs. Durch diese Idylle. Die Stadt, die für uns eigentlich eher ein Dorf ist. Mit einem Friseur, einem morgendlichen Markt und einem süßen Kaffee, in dem stolz die Urkunde zur Barista-Ausbildung an der Wand hängt, direkt neben einem Artikel über Latte Art mit vielen Beispielbildern, die für die Frau hinterm Tresen als Vorlage für die eigenen Kreationen dienen. Eine Stadt mit irrsinnig freundlichen Bewohnern. Thailänder sind ja alle recht freundlich, doch hier sind sie es nochmal mehr als anderswo. Sie grüßen auf der Straße, fangen Gespräche an und fragen woher man kommt und wohin die Reise gehen soll. In einer Bar hat sich der Besitzer sogar persönlich bei uns bedankt, weil wir bei ihm ein Bier getrunken haben. Man fühlt sich dadurch so angekommen, ja sogar etwas heimisch. Auf jeden Fall äußerst wohl.
Bei einem unserer Spaziergänge entdeckten wir gestern einen sehr schön und akkurat angelegten See, der über Stege sogar begehbar war. Als würde er zu einem Sternehotel gehören, doch inmitten von Feldern, auf denen Bananen, die langen thailändischen Bohnen, Papayabäume und Mais angebaut wurde. Ein etwas unwirkliches Bild. Aber total schön, keine Frage. Später sahen wir ein Straßenschild mit dem Hinweis „Health Park“, einem Icon mit einem Jogger und einem Pfeil in Richtung des Sees. Überhaupt sieht man überall in Thailand kleine „Sportanlagen“ in Parks. Als hätte der König irgendwann mal beschlossen, die Thailänder sind alle zu dick, wir brauchen öffentlich zugängliche Möglichkeiten, dass sie sich mehr bewegen und Sport treiben. Und sie tun es. Die Einheimischen. Setzen sich morgens auf diese Geräte und trainieren ihre Arme und Beine oder laufen in Sportkleidung die Wege um angelegte Teiche oder durch die Parks entlang.
Als wir gestern am Busbahnhof waren, um nach den Abfahrtzeiten und Zielen der Busse zu gucken, wurden wir sehr enttäuscht. Es gab ganze drei Möglichkeiten. Zurück nach Mae Hong Son, wo wir hergekommen sind, zurück nach Chiang Mai, oder mit einer Pritsche fünfeinhalb Stunden über die Berge nach Mae Sot, was unser eigentliches Ziel war. Doch wir haben den Wagen gesehen und uns war sofort klar, dass wir damit keine drei Stunden fahren wollten. Ohne Scheiben, komplett offen und ein noch älteres Modell als das letzte. Und wenn uns dann ein Regen erwischt… Sehr ärgerlich. Denn zurück kam natürlich gar nicht in Frage. Also blieb nur Chiang Mai. Dann haben wir eben nur eine kleine Runde im Nordwesten gedreht.
Ich gebe zu, ich war mehr als nur enttäuscht. Hatte ich mir doch so schön eine Route nach Süden, an der Grenze zu Myanmar zurechtgelegt, entlang den Bergen zurück nach Bangkok, von wo aus wir auf eine der zahlreichen Inseln reisen könnten. Aber so ist das mit der Planung. Und wie es der Zufall so will, kamen wir auf dem Rückweg an einer abgesperrten Straße vorbei, durch diese sich das ganze Dorf drängelte, um rechts und links kleine und große Köstlichkeiten an den Ständen zu kaufen. Frustshoppen war angesagt. Hier ein Leckerli, dort eine unbekannte Frucht zum Probieren, ein Stück im Bananenblatt eingewickelten Reiskuchen, kleine selbstgebackene Biskuitmuffins, eine frisch gebackene Kokoswaffel und zwei kalte Gesundheitsdrinks mit Joghurt. Es war so herrlich und meine Laune stieg im Sekundentakt höher. Ich liebe es ja, überall nur Kleinigkeiten zu kaufen und vor allem alles zu kosten und Neues zu entdecken. Dementsprechend aufgebläht und träge fühlte ich mich kurze Zeit später. Das Abendessen fiel damit dann auch aus. Nach einer Pause und einem kurzen Schläfchen auf unserem Zimmer rafften wir uns aber noch mal auf und liefen eine Runde auf die andere Seite der Stadt. Es war bereits dunkel, als wir eine Art buddhistische Wanderzeremonie hinter einem Zaun erblickten. Also nichts wie rein.
Auf einem LKW stand ein großer, schwarzglänzender Buddha. Alles war festlich geschmückt und eine Holztreppe führte hinauf auf die verkleidete Ladefläche. Davor waren etliche blaue Plastikstühle gestellt, die nur sehr vereinzelt besetzt waren mit Leuten, die gemeinsam meditierten. Daneben lief ein Film auf einem Fernseher und zeigte Bilder der Wanderung dieses Buddhas. Immer wieder in anderen Städten, an anderen Orten versammelten sich Menschen, um diese Statur zu berühren oder vor ihr zu beten. Sogar der Dalai-Lama war zu sehen, wie er mit rauchenden Holzstäbchen in der Hand den Buddha segnete. Zumindest sah es für uns so aus. Sehr eindrucksvoll. Leider haben wir im Internet nicht herausfinden können, was genau es damit auf sich hat. Aber es ist immer wieder toll, zufällig solchen Ritualen beizuwohnen und so ein neues Stück Leben in Thailand zu entdecken.
Die Zeit rennt. Fast zu schnell. Die Sonne steigt steil empor und erwärmt die Luft spürbar mehr und mehr. Jetzt heißt es Sachen zusammen packen und zum Busbahnhof marschieren, der sich glücklicher Weise direkt um die Ecke befindet. Weiter geht’s auf unserer Reise nach Chiang Mai. Für eine Nacht. Denn von dort aus fahren sie wieder, die vielen Busse, durch das ganze Land, in alle Richtungen. Und dann schauen wir mal, wohin es uns verschlägt.