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UND BEI EUCH SO?

28. Mai


Liebe Familie, liebe Freunde, liebe café sellberg-Besucher, liebe Bekannte, liebe Fremde, liebe Mitreisende,


ihr fehlt uns! Nein, Heimweh haben wir nicht. Kein bisschen. Sehnsucht nach Deutschland auch nicht. Dafür ist einfach noch nicht genug Zeit vergangen. Hier passiert so wahnsinnig viel. Um uns herum. Mit uns selbst. Ich brauche nur hier in der Hotellobby zu sitzen und die Augen und Ohren auf zu machen. Romane könnte ich schreiben. Ich sag euch, das ganze Leben hier ist es wert, darüber zu schreiben. Jeder einzelne Tag, jeder Moment, jeder klitzekleine Augenblick.


Ihr wollt ein Beispiel? Aber gern. Augen zu, Ohren auf: Kreischende Menschen. Der Tonhöhe zufolge wohl Teenager. Hunderte auf jeden Fall. Wahrscheinlich aber deutlich mehr. Ich schließe die Augen und befinde mich abseits eines Popkonzertes. Vor dem Tickethäuschen, direkt vor dem Zaun der die Bühne versteckt. Aber nicht die Musik. Nicht das Feeling. Nicht das Jubeln des Publikums. Es erinnert mich an meine Zeit in Hamburg. Auf wie vielen Konzerten ich war, ich kann es gar nicht sagen. Aber die schönsten fanden immer im Stadtpark statt. Und genau dieses Bild habe ich vor Augen. Wie sie alle da sitzen. Auf der Grünfläche. Mit ausgebreiteten Decken und einer Flasche Wein. Wie sie sich die hohen Eintrittspreise nicht leisten wollten und sich für den Platz mit Sichtbehinderung entschieden haben. Draußen. Dafür kostenlos. Es war eine herrliche Zeit. Doch zurück ins Jetzt. Gegenüber steht eine riesige Schule. Allein der Parkplatz für die ganzen Mopeds nimmt enorm viel Platz in Anspruch. Manchmal, nach der Schule, fahren die Schüler hier auf dem Hotelparkplatz Rennen. Oder führen kleine Kunststücke vor. Mit uns als Publikum. Aber ich schweife schon wieder ab. Woher nur kommt diese Musik, woher das Gekreische? Ein Boybandkonzert mitten am Tag, wir haben es 14 Uhr, mitten auf dem Schulhof? Oder doch nur ein Fernseher, der zu laut aufgedreht wurde und dessen Lautsprecher genau in Windrichtung stehen? Ich könnte vor zur Straße laufen und nachsehen. Aber jetzt erstmal dieser Brief an euch. Der uns sehr wichtig ist.


Inmitten der vielen Eindrücke schummeln sich Erinnerungen. Gedanken. Manchmal sind es Dinge, denen wir begegnen, die uns an euch erinnern. Vorhin erst sind wir eine Straße mit lauter Granatapfelbäumen entlang gegangen und mussten an Sie denken, liebe Klavierlehrerin aus Berlin Friedrichshain, wie Sie uns eine Flasche Granatapfelsaft vom Markt mitgebracht haben. Oder wenn wir uns einen Green Milk Tea gönnen, was übrigens nicht selten vorkommt, denken wir automatisch an deine Worte, liebe Anja, dass er schmeckt, als würde man eine Praline naschen. Und wir müssen dich korrigieren. Verschlingen. Inhalieren. Ja, das passt besser.


Wir denken so oft an das kleine café sellberg zurück. Gestern erst sind wir an einem idyllischen See vorbeigekommen, der dunkelgrünes Wasser hatte. „Schau mal, ein sellberg-See!“ Ihr glaubt gar nicht, wie viele grüne sellberg-Autos hier rumfahren. Verrückt!


Und wir denken an euch, liebe Familien. Die wir die letzten Jahre so stark vernachlässigt haben. Geburtstagsfeier Sonntagnachmittag? Schade, da sind wir im Café. Um so schöner, dass ihr alle noch mal da gewesen seid. Oder wir bei euch, auf unserer Tour nach Jork, Norden und Bergheim. Uns wird nicht erst hier bewusst, wie selten wir euch gesehen haben. Aber hier denken wir erneut darüber nach, denn schon wieder seid ihr unerreichbar für uns. Oder wir für euch?


Und da kommen wir zum Grund dieses Briefes. Wir haben den Überblick verloren. Wer liest hier eigentlich mit? Wer reist mit uns gemeinsam und erlebt die vielen wunderbaren Dinge durch unsere Augen? Könnt ihr bitte mal mit 1 beginnend kurz durchzählen? Wie groß ist diese Reisegruppe, reicht ein Auto oder brauchen wir einen Bus zur Weiterfahrt?


Und noch viel wichtiger die Frage: Wie geht es euch? Was macht ihr gerade? Wo treibt ihr euch herum und mit wem? Wie geht es der Sonntagstraße, dem Lehnbachkiez, wie Berlin und wie Sindelfingen? Kann man im Bodensee schon baden? Wann beginnen in Dresden die Ferien? Wie ist das Wetter in Senzig? Was macht die Schweizer Presse?


Ihr, die fleißig mitlesen, mitreisen und mitfühlen, ihr wisst über uns Bescheid. Könnt auf der Karte sehen, wo genau wir uns befinden und auf Fotos zusehen, wie wir uns auch äußerlich immer wieder verändern. Aber wer denkt an uns? Wo seid ihr? Was macht ihr? Worüber grübelt ihr, was heckt ihr Neues aus? Gebt uns doch mal ein Zeichen. Ein ganz kleines. Ein Like, aber besser noch einen Kommentar. Oder eine kurze E-Mail. Ihr glaubt gar nicht, wie sehr wir uns über Lebenszeichen von euch freuen.


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*Um unsere Arbeit und diese Seite zu finanzieren, stellen wir hier jedes Kapitel auszugsweise für euch kostenfrei zur Verfügung.



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