11. Juni

Kühlpuder. Das ultimative Mittel der Thailänder gegen Schweiß. Und, ja, es kühlt. Und es brennt. Ein wenig. Als hätte ich mich mit Minze eingeschmiert. Es riecht allerdings wie ein Sport-Duschgel, was die Frische gleich noch in die Nase bringt. Ja, wir lassen nichts aus auf unserer Reise. Probieren alles aus, was uns über den Weg läuft.
Auf diese Idee hat uns unsere süße Thailänderin vom Frühstückscafé gebracht, als wir sie erwischten, wie sie sich gerade hinter dem Tresen mit einem kleinen Handspiegel ihr Gesicht weißte. Etwas verlegen und kichernd zeigte sie uns ihr Fläschchen mit Babypuder. Daraufhin besorgten wir es uns im Supermarkt und probierten es aus. Und es hilft. Zumindest für einen kurzen Moment. Also recherchierte Markus im Internet und entdeckte dieses Kühlpuder, das wir soeben erstanden haben. Und so sitzen wir hier, wohlriechend und frisch gepudert, in jenem Café, während unser Zimmer gereinigt wird.
Nur noch zwei Tage. Die Zeit verging so rasend schnell. Dabei haben wir gar nicht so viel gemacht. Oder doch? Einen einzigen Ausflug haben wir gebucht. Einen von den dreien, die hier in der Nebensaison angeboten werden. Die beiden anderen kamen leider nicht infrage: Wanderung zum höchsten Punkt der Insel und eine mittelschwere Dschungeltour. Geliebäugelt hatten wir mit beiden. Aber nachdem wir diese riesige, handflächengroße Spinne gesehen hatten, war sofort klar, dass wir nicht mal einen halben Tag im Dickicht verbringen wollten. Und wer jetzt lacht, der kann sich entweder kein Bild von der Größe dieser Viecher machen oder hat einfach mehr Mut als wir. Bei letzterem ziehen wir den Hut, lassen uns davon aber keineswegs beeindrucken. Unsere bisherigen Begegnungen reichen uns. Wie die gestrige. Wir fuhren mit dem Moped eine einsame Straße entlang, rechts und links eroberte sich die Natur das gestohlene Stück Land zurück, und das Grün wucherte in die Höhe, bis weit über unsere Köpfe. Und wie aus dem Nichts aufgetaucht, erblickte ich das Ungetüm. Sie saß genau in der Mitte ihres Netzes, dessen Fäden in der Sonne glitzerten. Vor uns. Quer über die Straße gespannt, von einem Strauch zu einem anderen. Wir auf dem Moped. Fahrend. Zu schnell, um anzuhalten.
Ich hab mir fast in die Hose gemacht, konnte nur ein „Achtung“ schreien, mich ducken – und mitten durch. Und musste dabei schön ruhig bleiben mit den Händen. Loslassen und ins Gebüsch fahren wäre keine gute Idee gewesen. Und vor Schreck am Gasgriff drehen und beschleunigen wohl auch nicht. Aber das soll mal jemand machen, in den zwei Sekunden voller Panik.
Markus hatte hinter mir auf dem Moped gesessen. Etwas erhöht. Und er wusste überhaupt nicht, was los ist, duckte sich aber im Reflex mit. Was gut war. Denn das Spinnennetz war nur gefühlte zehn Zentimeter über uns. Hilfe, Hilfe, was für ein Schock! Aber wir sind drunter durch. Haben es geschafft. Auf dem Rückweg wachte sie übrigens immer noch dort oben. Die Herrin der Straße. Und mit dem Wissen, dass sie da ist, war es nicht gerade einfacher. Aber wenn wir einmal drunter durchgepasst hatten, dann auch ein zweites Mal. Puh.
Und nach diesen Erfahrungen im Dschungel spazieren gehen? Nein danke. Auf diese Mutprobe hatten wir beide keine Lust. Auch die Weiterfahrt war kein Spaß gewesen, denn bei jedem Ast, der sich über die Straße neigte, schlug mein Herz schneller.
Also blieb uns nur die Schnorcheltour. Vor dem Gästehaus wurden wir abgeholt, pressten uns mit den anderen hinten ins Sammeltaxi und fuhren zum Fischerdorf hinunter, das wir schon ein paar Tage zuvor entdeckt hatten – das mit den wunderschönen Ausblicken und dem Leuchtturm am Ende des langen Steges. Mit zig anderen wurden wir auf drei große Boote verteilt und tuckerten los. Glücklicherweise hatten wir eine ganze Holzbank für uns allein und somit etwas Platz, um uns auszubreiten. Über 60 Passagiere zählten wir, und über 100 passten bestimmt drauf, wenn alle etwas zusammenrutschten. Es lebe die Nebensaison!
Nach einer längeren Fahrt, vorbei an vielen kleinen und großen Inseln, kamen wir am ersten Stopp an. „Vier Inseln an einem Tag“ lautete der Titel der Tour. Dies war also die erste. Brille auf, Schnorchel in den Mund und rein ins Wasser. Alle. Eine kleine Massenveranstaltung, denn nicht nur unser Boot war hier vor Anker gegangen.
Kaum waren alle im Wasser, begann das große Füttern. Milchbrötchen wurden direkt neben uns ins Wasser geworfen, über die sich schlagartig Schwärme von Fischen hermachten. Ein irrsinniges Gewusel! Einerseits toll zu beobachten, denn wir befanden uns mittendrin, umzingelt von in der Sonne schillerndem Meeresgetier. Es waren Tausende! Auf der anderen Seite hätten wir uns allerdings genauso gut in ein großes Aquarium setzen können, denn mit den Erlebnissen, die wir einst auf den Malediven gehabt hatten, hatte das hier so gar nichts zu tun. Also schnorchelten wir etwas abseits der anderen und entdeckten zumindest ein paar schöne Korallenbänke. Nicht ganz so bunt und vielfältig, aber immerhin. Auch die Artenvielfalt der Tiere war sehr begrenzt. Und trotzdem genossen wir es, endlich wieder einmal zu schnorcheln. Lange war es her, dass wir das letzte Mal Unterwasserbeobachter waren – in Ägypten war das. Aber noch nie zuvor hatten wir so viele Seeigel auf einmal gesehen. Mit weißen Augen blinzelten sie uns zu und öffneten hier und da ihren roten Mund. Zumindest hat es für uns so ausgesehen. Wahrscheinlich haben sie weder Augen noch einen Mund. Markus, bitte gleich mal googeln.
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