top of page

MIT DEM ZUG NACH PHITSANULOK

28. April


Es ist 8 Uhr. Musik erklingt aus den Lautsprechern. Einige Leute legen ihre Taschen beiseite und stehen auf. Stellen sich einfach hin. Die Musik verhallt, und im Sekundentakt ertönt eine Tonfolge. Nun stehen auch alle anderen auf. Die Verkäuferin am Eingang, die Wartenden in der kleinen Vorhalle, selbst die TukTuk-Fahrer. Alle. Bis auf zwei Backpacker auf der gegenüberliegenden Bank. Beladen mit riesigen Rucksäcken, bleiben sie mit mir sitzen. Es folgt ein langer Ton, und die Nationalhymne setzt ein. Was für eine Stimmung! Alles steht still und starrt stur geradeaus. Doch niemand singt mit. Eine Minute später verhallt die Musik, und alle setzen sich wieder – als wäre nichts gewesen.


Wir sind am Bahnhof. Problemlos haben wir zwei Tickets für den Zug nach Phitsanulok gekauft. Markus sucht vor dem Gebäude nach etwas Verpflegung für die Fahrt. Endlich Zugfahren. Schon lange habe ich mich darauf gefreut. Etwas vom Land sehen. Die Stimmung im Zug erleben. Wie aufregend! Unser Ticket gilt für die dritte Klasse. Das trauen sich Rucksacktouristen sonst wohl nicht, denn um uns herum sehe ich fast nur Einheimische.


Vor dem Informationsschalter auf dem Bahnsteig steht jemand in Uniform und wischt auf einer weißen Tafel herum, die vor kurzem auch noch in einem Seminarraum gestanden haben könnte. Hier werden die Verspätungen der Züge noch per Hand angeschrieben. Unser Zug kommt 20 Minuten später, aber wir haben ja wie immer Zeit. Markus ist inzwischen mit ein paar süßen Brötchen zurück. Wir warten auf einer der ovalen Steinbänke und beobachten voller Freude die Szenerie.


Die große Glocke wird geschlagen, wir gehen zum mittleren Gleis, der Zug kommt und wir steigen ein. Laut Tickets sitzen wir auf den Plätzen 11 und 12, ganz vorn im ersten Waggon. Es dauert eine ganze Weile, bis wir es mit unserem Gepäck durch die engen Gänge der Waggons bugsiert haben. Durch den Speisewagen, der wie eine Garküche aus einem Tisch und zwei, drei Stühlen aus feinstem Plastik besteht, dazu etwas Blechgeschirr. Vorbei an schlafenden Fahrgästen und spielenden Kindern, stehen wir schließlich vor unseren Plätzen, die allerdings besetzt sind. Was tun? In Deutschland würde man die „Sitzplatzbesetzer“ freundlich bitten, sich einen anderen Platz zu suchen. Aber hier in Thailand? Was für eine unangenehme Situation! Aber auf einmal rücken alle zusammen, und mit gefühlt belächelnden Blicken wird uns eine Bank freigemacht. Wir verstauen unser Gepäck auf den oberen Ablageflächen und setzen uns. Geschafft. Der Zug rollt bereits weiter, und mit jedem Atemzug sauge ich neue Eindrücke in mich auf.


Wirklich kein anderer Tourist weit und breit. Wir haben uns den günstigsten Bummelzug herausgesucht, um zu sparen, aber auch, um mehr vom Land zu sehen und so authentisch wie möglich zu reisen. Und schon geht es los. Alle paar Minuten kommt ein fliegender Händler den Gang entlang und preist seine Waren an. Meist in einem Korb oder einer tragbaren Kühlbox vor dem Bauch. Essen und Getränke in kleinen Tütchen – und sogar Hängematten. Hätten wir das gewusst, wären wir ohne Proviant eingestiegen und hätten hier unser Frühstück gekauft. Wir bekommen Hunger und packen unsere westlich aussehenden To-go-Brötchen aus, die den eingeschweißten an deutschen Tankstellen ähneln. „Jaja, die Ausländer“, denken unsere Sitznachbarn wahrscheinlich gerade. Aber gekauft ist gekauft – und sooo schlecht schmecken sie ja auch gar nicht.


Ungläubig schaue ich aus dem Fenster. Am Horizont, in bläulichem Dunst, erhebt sich eine Felsformation. Kein bergiges Land, sondern kantige Konturen, die sich steil in den Himmel emporrecken. Wie eine Insel, mitten im flachen Land. Eine Illusion?


An uns ziehen die ersten Reisfelder vorbei. Kleine grüne Halme in einem flachen Wasserbecken, umrandet von einem kleinen Wall aus rötlicher Erde. Das wollte ich sehen. Herrlich! Und dazwischen immer wieder rauchende Feuer. Anscheinend brennen sie hier kontrolliert kleine Landstriche ab.


> weiterlesen (im eBook oder Taschenbuch)


*Um unsere Arbeit und diese Seite zu finanzieren, stellen wir hier jedes Kapitel auszugsweise für euch kostenfrei zur Verfügung.

 

bottom of page