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Mit 10 Knoten auf dem Mekong unterwegs

8. August


Auf der großen Holzterrasse der Lodge erwartete uns ein Empfangskomitee mit Willkommensgetränken und Erfrischungstüchern. Unsere großen Rucksäcke hatten wir auf dem Boot gelassen, wo die Crew die Nacht verbrachte und wachte. Mit unserem Tagesrucksack wurden wir eingecheckt und betraten unseren Bungalow. Meine Herren! Eigentlich war es nur eine ganz einfach Bambushütte, wie wir sie in Pai bei unserem Kurzaufenthalt auf der „Local Farm“ hatten.


Die Wände bestanden aus dünn geflochtenen Bambusmatten, die Fenster aus Rahmen mit Holzlamellen. Offen und für Kleintiere jeglicher Art zugänglich. Aber die Ausstattung war oberste Liga. Ein großes Himmelbett mit zwei weichen Kopfkissen für jeden. Hohe Schiebetüren hinter denen sich das geräumige Badezimmer befand. Alles war aus edlem, dunklem Holz. Zwei Wasserflaschen zum Trinken, zwei im Bad zum Zähneputzen. Sogar ein Mückenspray stand bereit, welches nur aus natürlichen Ölen bestand und nach Wellness und Erholung duftete. Da wir mitten im Dschungel waren versprühten wir sogleich den kompletten Inhalt auf unserer Haut. Oh wie gut das roch! Extra große und herrlich flauschige Handtücher und eine kleine Holzschachtel als Willkommensgeschenk, es fehlte an nichts. Der pure Luxus.


Zurück auf der Terrasse gab es kurze Zeit später ein Abendessen der Extraklasse mit Blick auf dem Mekong, der allerdings recht schnell in der völligen Dunkelheit verschwand. Wir gönnten uns ein Glas Wein und fühlten uns im siebten Himmel. Eine kräftige Rinderbrühe, Frühlingsrollen mit einer leckeren Karottensauce, ein Hähnchencurry, gebratenes Gemüse, wunderbar zarte Rindfleischspieße, einen laotischer Salat namens Laab und dazu drei verschiedene Sorten Reis. Als Nachtisch gab es dann noch panierte Sticky Reis-Bällchen mit Honig, einen Teller mit frischem Obst und ein kleine Kanne Kaffee für jeden. Wir schlemmten uns die Bäuche voll. So viel hatten wir die ganzen letzten drei Tage nicht gegessen.


Wir machten es uns noch etwas auf den breiten Holzsesseln auf der Terrasse bequem und ließen den Tag Revue passieren. Eigentlich die ganze bisherige Reise. Gingen all unsere bereisten Orte und die dazu passenden Bilder und Eindrücke im Kopf durch und waren selbst sehr beeindruckt, was wir bisher schon alles erlebt hatten. Und wer weiß, was alles noch kommt? Schließlich lagen noch fast fünf Monate vor uns. Unser Untermieter in Berlin hatte uns gerade mitgeteilt, dass er die Option der Verlängerung bis Ende des Jahres nutzen wird. Bis Ende des Jahres! Welch ein Geschenk.


Im Bett lagen wir beide nebeneinander und starrten blind an die Decke auf das Moskitonetz über uns, welches luftig zu allen Seiten auf den Boden fiel. Lauschten den vielen Tieren. Es war eine irrsinnig laute Geräuschkulisse. Es zirpte, surrte, raschelte und quakte. Es war alles so surreal. Vor kurzem lagen wir noch auf schwarz verschimmelten Kopfkissen in einem Kellerloch, jetzt kuschelten wir uns wie Könige in die weißen, weichen Decken.


Ach, was hatten wir gut geschlafen. Erneut klingelte früh der Wecker, denn bereits 6.15 Uhr gab es Frühstück. Baguette, Toast mit Marmelade, frisches Obst, schwarzen Sticky-Rice mit Mango und einen himmlischen Karamellpudding. Begleitet mit einem Frühstückssaft und Kaffee. Die Eier mussten leider wir auslassen. Nach dem reichhaltigen Abendessen zuvor passte zu so früher Stunde einfach nichts mehr rein.


Und schon fuhren wir wieder mit dem Boot den Mekong entlang. Einsam und ganz allein auf dem breiten, braunen Gewässer. Die Wolken lösten sich nur langsam auf und hingen noch zwischen den Bergen fest, umschwebten die Gipfel. Ein einzigartiges Naturparadies.


Wir schipperten mal links, mal rechts den Fluss hinauf. Treppen führten von den Bergen hinunter zum Ufer und endeten im Wasser. Der Wasserstand schien im Vergleich zu gestern ein klein wenig gesunken zu sein, was man an dem Grün am Ufer sehen konnte. Ein schmaler dunkelbrauner Schlammstreifen überzog die Blätter.


Wie Eisberge umschifften wir die großflächigen Teppiche aus altem Holz. Immer wieder musste der Kapitän den Motor ausschalten, wenn er nicht ausweichen konnte, um die Motoschraube nicht zu beschädigen. Da das Wasser gestern den diesjährigen Höchststand erreicht hatte, riss es alles tote Holz vom Ufer mit sich. Dicke Baumstämme, Bambus, Sträucher und Geäst. Leider auch viele Plastikflaschen, Sprühdosen und Reste aus Polystyrol. Alles sammelte sich auf dem Wasser und bildete kleine und große Inseln. So, nur noch viel schlimmer, muss es also auf den Ozeanen aussehen, wenn sie von der Verschmutzung unserer Meere reden. Erschreckend diese Vorstellung.


Unser Guide erzählte uns, dass auf Trekkingtouren durch die Berge von Laos immer wieder Touristen entlang der Wege den Müll aufsammeln. Erst habe er es nicht verstanden, wieso sie es tun. Inzwischen findet er es gut und bewirbt das Vorgehen bei den Bergvölkern. Und ganz langsam begreifen auch die Einheimischen, dass der Müll in der Natur nichts zu suchen hat. Doch es ist wohl noch ein langer Weg, bis das Bewusstsein wirklich angekommen ist. Sofort kamen uns die Bilder aus Kambodscha wieder in den Kopf. Die Massen an Abfälle entlang des Uferwegs.


Nach einer Weile sahen wir die allererste Brücke auf der Fahrt. Sie war noch im Bau aber schon fast fertig. Später wird sie zwei Regionen miteinander verbinden und für eine direkte Verbindung zur Grenze nach Thailand sorgen. Die vielen Fährschiffe werden dann verschwunden sein und einige der Dorfbewohner sich eine andere Arbeit gesucht haben. Der Komfort hat halt immer zwei Seiten.


Rechts entlang des Ufers wurde gerade eine Straße gebaut. Die Schneise war schon in die Berge geschlagen und zum Teil bereits mit Mauern aus Steinen befestigt. Irgendwann werden auch die kleinen Dörfer einen Landzugang und Strom haben. Man kann der Entwicklung des Landes richtig zusehen.


Immer wieder kam die Sonne heraus und ließ das Grün einzelner Flächen funkeln. Allmählich änderte sich die Landschaft. Die hohen Berge verschwanden, entweder ganz oder hinter den Wolken, und immer mehr Stromkabel und Straßen waren zu sehen. Große Flächen auf den Hügeln waren gerodet und zu kleinen Feldern verwandelt worden. Die Zivilisation nahm zu.


Mittagessen. Und auch diesmal war es wieder köstlich, vielfältig und reichhaltig. Als Nachtisch gab es Mangosteen. So oft hatten wir sie schon gesehen, wollten sie auf Märkten probieren, hatten es dann aber doch nicht gemacht. Nun konnten wir sie endlich kosten. Toll. Lecker. Eine süße Frucht, geschmacklich zwischen Weintrauben und Litschi, unter einer dicken roten Schale verborgen. Wir haben uns vorgenommen, sie in Thailand öfter zu kaufen.


Nächster Halt: Ban Houy Palam. Ein weiteres Dorf. Diesmal ein größeres mit etwa 80 Familien, weshalb wir uns trotz der Erfahrungen am Tag zuvor zu einem Besuch entschlossen. Und glücklicher Weise wurde auch nichts verkauft. Stattdessen wurde eine Spendenbox für die Dorfschule aufgestellt, die wir natürlich gern etwas befüllt haben.


In Houy Palam lebten nur Atheisten. Deswegen gab es dort auch keinen Tempel. Die Regierung hat hier Land, Wasser, eine Zugangsstraße und Elektrizität zur Verfügung gestellt. So sind einzeln lebende Familien aus den Bergen hergezogen und leben nun vom Reisanbau für den Eigenverzehr und dem Anbau von Hopfen, der verkauft wird. Ebenso halten sie Tiere. Eine Kuh bringt um die 8 Millionen Kip, was etwa 900€ sind, ein Ochse sogar 1.350€. Viel Geld für die Familien, die in sehr einfachen Bambushütten leben.


Auf einer Tafel war die Region in zwei Farben unterteilt. Das gelbmarkierte Gebiet durfte bebaut, im grünen offiziell nicht mal ein Baum gefällt werden. Wächst die Bevölkerung an, wird mit dem Officer der zugehörigen Stadt gesprochen, wie weit und in welche Richtung das Dorf erweitert werden kann. Es war also alles geregelt, strukturiert und organisiert.


Nur ein Krankenhaus fehlte in der Umgebung. Krankheiten werden in solchen Gegenden mit Kräutern, Naturheilmitteln und von Schamanen geheilt. Hilft das nicht, guckt die ganze Familie, wie viel Geld sie hat und ob man sich eine Fahrt ins nächste Krankenhaus und eine dortige Behandlung überhaupt leisten kann. Am Gesundheitssystem mangelt es also noch. Uns wurde in Reiseführern auch empfohlen, bei ernsthaften Erkrankungen sich lieber in Thailand, am besten in Bangkok behandeln zu lassen.


Auf dem Mekong wurde es etwas lebhafter. Kleine Kinder winkten von Ufer, Fischer bastelten an ihren Netzen und immer mehr Boote fuhren entweder an uns vorbei oder ließen sich von uns überholen. Das Wasser wurde etwas ruhiger, da der Fluss hier breiter war als bisher, weshalb wir konstant mit 20 km/h Richtung Huay Xai fuhren.


Unser Kapitän fuhr ans Ufer, hielt und lief mit einer gelben Plastiktüte voller Dokumente eine kleine Treppe hinauf. Dort in einem kleinen Häuschen bezahlte er die Mekongsteuer. Die wird nämlich fällig, wenn man von einer Region in die andere fährt und kostet ungefähr 5,50€. Das ganze dauerte keine zehn Minuten und wir fuhren weiter.


Überrascht stellten wir fest, dass der bräunliche Streifen am Ufer immer breiter wurde. Der Wasserspiegel sank also aufgrund des fehlenden Regens weiter. Gut für uns, denn so hatten wir sonnige Ausblicke auf immer neue Bergformationen, Dörfer und Lichtspiele zwischen Sonne und Wolken. Wir lasen in unseren Büchern, schrieben Postkarten und genossen den Fahrtwind, der uns um die Ohren wehte.


Wir umschifften auf der linken Seite den letzten Berg in Laos, bevor der Mekong zum Grenzfluss wurde. Die Grenze bestand aus einem mit feinen Rasen bewachsenen Uferstück, auf dem lediglich ein paar kleine Pavillons standen. Eigentlich war sie nur an der thailändischen Fahne zu erkennen. Nicht wirklich spektakulär.


Dann wurde alles weitläufiger. Der Mekong wurde breit wie ein großer See. Die Berge von Laos am rechten Ufer blieben, links in Thailand wurde das Land etwas flacher. Vereinzelt tauchten Flächen gelbvertrockneter Pflanzen auf. Kühe grasten und das Ufer war mit hellem Sand und vielen Steinen zu einem Damm aufgeschüttet. Vielleicht war es auch nur Einbildung, aber es sah jetzt anders aus. Es gab einen optischen Unterschied zwischen beiden Seiten. Nur der Fluss behielt seine braune Farbe und seinen Geruch nach Wasser.


Wir beobachteten die kleinen Veränderungen, während uns ein letztes Mal frisches Obst gereicht wurde. Melone und Ananas, in kleinen Stückchen zurecht geschnitten. Dann überkam uns ein wenig die Traurigkeit über das bevorstehende Ende dieser wirklich außergewöhnlich schönen Fahrt. Dennoch waren wir gespannt zurückzukehren. Nach Thailand, das wir ja so in unsere Herzen geschlossen haben. Wie wird es werden? Hat es sich wie die Jahreszeit verändert? Gibt es statt den leckeren, gelben Mangos jetzt andere Früchte auf den Märkten? Erkennen wir einen Unterschied zwischen den Laoten und den Thailändern? So blickten wir die letzten Meter auf dem Mekong treibend neugierig in die Zukunft und schwelgten parallel in den Erinnerungen der letzten beiden Tage. So schön. So beeindruckend.

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