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DIE ALMOSENTOUR DER MÖNCHE

9. Mai


Fahles Licht scheint durch die Fenster ins Zimmer. Blinzelnd erkenne ich die Konturen der Möbel. Bis auf das monotone Rauschen der Klimaanlage ist es noch sehr ruhig. Ich drehe mich zur Seite. Markus sitzt bereits aufrecht neben mir im Bett. Mit dem Handy in der Hand grinst er mich hellwach an. Er scheint also schon länger auf mein Aufwachen zu warten. Ich schaue auf die Uhr. Viertel vor sechs.


Wir nutzen die Gelegenheit und machen uns in Windeseile fertig. Katzenwäsche ist angesagt. In einem der zahlreichen Blogs über Südostasien habe ich von einer Führung gelesen, bei der man Mönche beim morgendlichen Almosengang begleiten kann. Zwar wollen wir keine Führung mitmachen, aber Ort und Zeit sind ja hinreichende Indizien, um sich auf eigene Faust auf den Weg zu machen. Also laufen wir die Straße in Richtung Norden. Und siehe da: Mit seinem silberglänzenden Topf kommt uns ein Mönch entgegen. Die orangefarbene Robe kommt uns bei der Suche sehr entgegen, man bemerkt sie sofort, bereits aus weiter Entfernung. Wir lassen ihn vorbeiziehen, machen kehrt und folgen ihm. Wo einer hingeht, da müssen ja auch andere sein. Doch weit gefehlt. Nach fünf Minuten beenden wir die Verfolgung und biegen in eine größere Seitenstraße ein. Ich frage mich, wer den Mönchen hier überhaupt etwas geben soll. Die Garküchen sind noch nicht aufgebaut, und nur ganz vereinzelt laufen ein paar Einheimische herum. Zudem sind wir mitten in einer Hotelsiedlung.


Doch wir haben Glück. Immer mehr Mönche laufen uns über den Weg. Mal allein, mal zu zweit. Wir setzen uns am Straßenrand auf eine Betonbank. Uns gegenüber steht eine Frau mit einem Korb. Sie nimmt ein Tütchen heraus und übergibt es einem der Mönche. Also doch. Es gibt Leute, die extra so früh aufstehen und sich mit Essensportionen im Gepäck an die Straße stellen. So langsam kommen immer mehr Mönche. Manche gehen direkt an der Frau vorbei, manche stellen sich vor sie hin und warten. Wie herum geht das hier überhaupt: Geht der Mönch zu den Spendern oder suchen die sich den Mönch aus? Wir können es nicht erkennen.


Da die meisten Mönche in Richtung Süden laufen, folgen wir ihnen. Vielleicht hat ja unser Markt schon geöffnet und wir bekommen einen leckeren Tütenkaffee. Und wir sind überrascht, wer schon alles auf den Beinen ist. Der Markt gleicht einem Ameisenhaufen. Alle sind geschäftig und wuseln herum. Tüten mit frischem Obst und Gemüse werden umhergetragen, die Garküchen kochen fleißig in ihren Woks, und entlang der Straße säumen viele, viele Mönche den Weg. Ah ja. Da hätten wir ja gleich drauf kommen können, denn so würden wir es wahrscheinlich auch machen. Hier gibt es Menschen, hier gibt es Essen – hier bekommt man sicher auch seine Spenden.


Wir gehen zu „unserem“ Stand und kaufen uns erstmal jeder einen kalten Kaffee mit viel Eis. Am Strohhalm ziehend setzen wir uns auf eines der kleinen Geländer und beobachten das Treiben. Vor uns steht eine Frau mit einem Wägelchen. Sie verkauft Spendenpakete. Tüten mit verschiedenen Nahrungsmitteln. Reis, Suppen, aber auch Chips und Getränke. Clever, denken wir. Sie verdient durch den Verkauf, die Käufer haben keine Arbeit und tun Gutes, und die Mönche erhalten ihre Almosen. Eine Win-win-win-Situation.


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*Um unsere Arbeit und diese Seite zu finanzieren, stellen wir hier jedes Kapitel auszugsweise für euch kostenfrei zur Verfügung.

 


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