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Über drei der 4.000 Inseln

12. Juli


Neuer Tag, neues Glück, bessere Laune. Letztere stieg steil nach oben, als wir direkt morgens unser neues Hotelzimmer bezogen. Sauberer Fußboden, ein riesiges Bad und einen eigenen Balkon mit wunderbarem Blick auf den Mekong mit seinen vielen Inseln. Und da bestes Wetter vorausgesagt war, liehen wir uns zwei Fahrräder und radelten los.


Ach, was für eine herrliche Luft. Zwar konnten wir auf dem kleinen Weg nicht wirklich schnell fahren, aber der Fahrtwind tat gut. Und diese faszinierende Landschaft. Ja, genauso habe ich es mir hier vorgestellt. Also nicht konkret, aber einfach so wunderschön. Kein Tourist weit und breit, denn alle schliefen wohl ihren Rausch der letzten Nacht aus. Nur die Inselbewohner kümmerten sich um ihr Vieh und ihre Landwirtschaft. Wasser stand in den angelegten Reisfeldern und mit ihm immer wieder graue, große Büffel, die umherwateten und die frischen Pflanzen fraßen. Ich war ganz verliebt in diese Landschaft. Neben uns immer der Mekong. Also einer der Arme, die hier zu Hunderten entlang fließen, um weit unten in Kambodscha wieder zueinander zu finden.


Eine schmale Steinbrücke führte auf Don Khon, eine der Nachbarinseln. Dort waren die Sehenswürdigkeiten auf unserer Karte eingezeichnet. Einmal komplett herum wollten wir fahren und alles sehen, was es zu entdecken gab.


Unser erster Stopp war ein Wasserfall. Die Räder mussten wir abstellen und spazierten zu Fuß los. Wow. Was für ein Rauschen. Der muss ja riesig sein, dachten wir. Und er war es. Oder besser gesagt sie, denn von überall her kam das Wasser und fiel von den Felsen hinab. Massen! Von rechts, von links und geradezu. Toll. Leider konnten wir nicht hinuntergehen, denn die Absperrungen hielten uns davon ab. Aber auch von oben war es äußerst beeindruckend.


Ein Schild zeigte den Weg zum Beach. Strand? Klasse. Zwar hatten wir nichts Passendes dabei, aber zumindest gucken wollten wir. Vorbei an weiteren Wasserfällen durch einen recht schön angelegten Park kamen wir zu einem Café mit einem anderen Schild: „Ask for Job inside“. Ein Wink mit dem Zaunpfahl?


Das Café entpuppte sich zu einem kleinen Resort, nur ohne Übernachtungsmöglichkeiten. Viele kleine, gemütliche Bambushütten boten Platz und tolle Aussichten. In der Mitte war eine große Bar aufgebaut, hinter der zwei Jugendliche sich die Langeweile mit Handyspielen vertrieben. Die Treppe runter führte zu einem Beachvolleyballfeld. Feinster Strandsand! Hier! Her gekarrt oder her geweht? Egal, toll!


Durch die starke Strömung war Baden zwar nicht erlaubt, aber hier bei Sonnenuntergang einen Cocktail trinken konnten wir uns super vorstellen. Bestellten uns der Tageszeit entsprechend allerdings lieber einen Coffeeshake. Einen mit geronnener Milch. Ha! Aber geärgert hatte ich mich den Tag zuvor genug. Also reklamierten wir höflichst und bekamen mit einer großen Entschuldigung zwei Neue, diesmal Leckere, und machten es uns bequem. Ich war endlich mal wieder so richtig glücklich und zufrieden. Nicht, dass in den letzten Tagen alles schlecht war, aber so ein freudiges Kribbeln über den gerade stattfindenden Moment, das war schon etwas her.


Hunger stellte sich ein, denn wir hatten ja noch nicht mal etwas gefrühstückt. Also liefen wir zurück zu unseren Rädern, schwangen uns rauf und fuhren weiter. Die falsche Straße entlang. Hinein in eine Sackgasse. Zu einem Kioskbesitzer am Strand, der uns sofort eine Tour zu den Delphinen verkaufen wollte. Doch wir wussten, dass es weiter im Süden einen kleinen Hafen geben sollte, dort wollten wir hin. Also wieder zurück, die zweite Möglichkeit nach rechts und immer geradeaus durch die Landschaft. Kein Müll, kein Staub, nur viele Steine und Pfützen. Es war wie ein herrlicher Sommertag in Brandenburg. Tiere gaben sich nur durch Laute zu erkennen, auf Bauernhöfen wurde gearbeitet und wir radelten vergnügt umher und genossen die Freiheit, die solch eine Fahrradtour mit sich bringt.


Der Hafen bestand aus einem Restaurant, einer etwas verkommenen Garküche und einem Betonplateau, von dem man auf das Wasser sehen konnte. Außer einer Franzosenfamilie weiterhin niemand zu sehen. Wo sind sie nur alle? Bleiben sie tatsächlich oben auf unserer Insel in ihren Hängematten vor den Hütten liegen? Es ist ja nicht so, dass es keine Touristen gab. Aber schon breitete sich wieder die Freude über die Einsamkeit aus und die Fragen lösten sich unbeantwortet in Luft auf.


Das ist es also. Das Becken von dem wir gelesen hatten, in dem sich die restlichen Delphine aufhalten. Die etwa 80, die von den Tausenden übrig geblieben sein sollen. Vom Fischen lebt man hier eben. Was es keinesfalls entschuldigt auch Delphine zu jagen. Dennoch spürten wir schon im Norden Kambodschas, wie abhängig man hier vom Fischen und dem Wasser ist. Alles dreht sich darum. Ohne den Mekong wären die meisten hier arbeitslos und würden verhungern. Und auch die Regenzeit wurde herbeigesehnt und kam dieses Jahr viel später als sonst. Denn ohne Regen kein Reis und keine Landwirtschaft.


Da uns weder das Restaurant, noch die Garküche ansprachen, schluckten wir unseren Hunger hinunter und fuhren weiter. Laut Reiseführer sollte es einen Weg auf der anderen Seite der Insel wieder zurück nach Norden zur Brücke geben. Bei Google Maps war davon allerdings nichts zu sehen. Doch da wir nicht den gleichen Weg wieder zurück fahren wollten, gingen wir auf die Suche. Und fanden einen Weg. Und was für einen. Wäre ich nicht so irrsinnig gut gelaunt gewesen, wir wären wohl wieder umgekehrt. Keine Ahnung wann zuletzt jemand hier lang gelaufen war. Büsche, Gestrüpp und Bäumen stellten sich uns immer wieder quer. Wir auf Rädern mit kurzen Hosen und unseren durchgelatschten Flip Flops. Nein, Spinnen gibt es hier keine. Ganz sicher nicht. Und schon gar nicht so große wie auf Koh Chang. Schlangen? Ach quatsch.


Hilfe!!!


Aber ich blieb tapfer und fuhr voraus. Machte den Weg für Markus spinnennetzfrei. Kein Problem, bin ja kein Weichei. Einfach weiter fahren. Oder absteigen und das Fahrrad gebückt voraus schieben, wenn die Büsche mal wieder einen Meter über der Erde einen Tunnel bildeten. Phu, was für ein Abenteuer. Aber ich hatte es vermisst. Das Adrenalin. Die Aufregung. Diese Neugierde, was hinter der nächsten Ecke auf uns wartet.


Eine Brücke. Holla war das Tal tief. Hilfe, war die Brücke wackelig. Holzbretter wurden in einer Konstruktion zusammengehämmert, die nicht so aussah, als würde sie uns je überleben. Schienen der ehemaligen Eisenbahn und eine Reihe vielleicht 20 cm breiter Bretter waren oben drauf gelegt. Gelegt!


Ich war gerade so vollgepumpt mit Mut und Euphorie, dass ich ohne ernsthaft darüber nachzudenken losging. Das Fahrrad rollte ich über die Bretter, nutzte es als Halt für meine Balance und ging Schritt für Schritt auf den dünnen Schienen entlang. Nicht nach unten gucken! Aber wohin denn dann? Auf die Schienen! Alles klar. Und es funktionierte. Höhenangst adé! Naja, ganz so war es nicht, aber was auch immer sich in meinem Körper oder Gehirn abspielte, es half und ich war drüben. Vielleicht war es auch einfach nur die Tatsache der fehlenden Alternative.


Markus tat sich anfangs etwas schwerer und ich konnte seine Angst glaube ich besser nachvollziehen als jeder andere. Vom Mut gepackt lief ich wieder zurück, nahm ihm mitten auf der Brücke das Fahrrad ab und brachte es auf die andere Seite. Brauchte ich es zum Abstützen um nicht herunter zu fallen, kam Markus mit freien Händen deutlich besser klar. Geschafft. Und Fotos sind auch im Kasten. Wenn fallen, dann bitte dokumentiert. Was für ein herrlicher Tag!


Irgendwann kamen wir dann zu einer kleinen Abbiegung, die zu einem weiteren Wasserfall führte. Eine ordentlich schwingende Hängebrücke war zur Nachbarinsel gespannt, darunter wieder tobendes Wasser. Nicht ganz so spektakulär wie zuvor gesehen, aber dennoch gewaltig. Ich musste ganz still stehen, damit Markus ein paar Fotos machen konnte. Eine Bewegung und die ganze Brücke wippte.


Und schon waren wir auf der dritten Insel. Wenn auch nur kurz. Ein kleiner Weg führte zu weiteren Wasserfällen. Irre. Und das alles ist der Mekong. Ein einziger Fluss, der alles Wasser der Umgebung in sich aufnimmt und mitreißt. Und wie heftig die Regenschauer hier sein können haben wir ja bereits erlebt. Wie erst wird es sein, wenn wir einem Monsun beiwohnen?


Der Weg wurde wieder ein Weg, das Gestrüpp verschwand und wir fuhren erneut vorbei an Büffeln, Reisfeldern und durch kleine Dörfer zurück zur Nordseite der Insel. Auch hier gab es Hotels. Sauber und gepflegte Bungalows in schönen Gärten. Keine laute Partymusik, keine Touristenaufläufe. Idylle und Ruhe mit Dorfcharakter. Hätten wir das doch nur früher gewusst, wir hätten uns hier unsere Unterkunft gesucht. So viel malwieder zum Lonley Planet. Der Reiseführer unter den Reiseführern für Backpacker. Wir verfluchen ihn immer und immer wieder!


Endlich Frühstück. Unser Hunger war inzwischen so groß, dass wir uns direkt ein Mittagessen bestellten. Und wie das schmeckte! Wieder durchströmte mich ein Glücksgefühl. Wir aßen in einem gepflegten Restaurant, schauten auf den Mekong, dazu ein frisch gebrühter Kaffee in Laos Style. Unten im Glas eine Schicht süße Kondensmilch, darüber das schwarze Gold. Ein Hochgenuss!


Satt und zufrieden ging es zurück zur Brücke und auf der anderen Seite unserer Insel wieder zurück zum Hotel. Auch hier reihten sich zerfallene Hütten und Bungalows an einander. Wir wollten uns gar nicht vorstellen, wie diese von Innen aussehen mögen. Wir waren heilfroh, unsere jetzige Bleibe gefunden zu haben. Gaben die Fahrräder wieder ab und liefen etwas ungelenk wegen der Scherzen im Bereich des Poos hoch zu unserem Zimmer. Über 22 Kilometer sind wir gefahren, sind auf drei Inseln gewesen, haben herrliche Wasserfälle gesehen, die Schönheit der Natur genossen, uns mit leckerem Essen verwöhnt und unseren Adrenalinspiegel herausgefordert. Mehr geht nicht. Wir sind gespannt, was dieses Land noch alles zu bieten hat.

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